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2016-11-19

ARCHIVE - The False Foundation

Dass Archive es einem nicht immer leicht machen, ist ja nichts Neues. Dem einen oder anderen Album der Briten muss man schon etwas konzentriertere Aufmerksamkeit schenken und es sich erarbeiten, ehe es richtig zündet.

Beim neuen Werk stecke ich nun schon länger als gewohnt in dieser Arbeit. Und ich habe leider nicht das Gefühl, noch wesentlich weiter kommen zu können.
Das Ende des Prozesses, an dem ich normalerweise den Zugang gefunden habe und begeistert ein Füllhorn voller Lob ausschütte, muss diesmal demnach ausfallen.
 



ARCHIVE - The False Foundation (2LP) (2016)

Beginnen wir gleich mit dem vielleicht offensichtlichsten Mangel an "The False Foundation": Das Album ist sehr unvorteilhaft eingerahmt. Und damit meine ich jetzt nicht das Cover oder Layout, denn das ist absolut im grünen Bereich.

Nein, es geht um Track 1 und Track 10. Der Opener "Blue Faces" ist eine zu sehr in die Länge gezogene Pianoballade, die es gleich am Anfang einen Anflug von Langeweile heraufbeschwört, um dann songwriterisch wenig geschickt in ziemlich uninspirierten Noise überzugehen.

"The Weight Of The World" ist als Finale zugleich der hymnischste Song des Albums. Dummerweise erinnert die Melodie dieser Hymne nur viel zu sehr an "Amazing Grace". Und ach, das nervt einfach.

Somit sind der erste und letzte Eindruck also von eher schwächeren Songs geprägt, was schon einmal unglücklich ist. Dazwischen gibt es zum Glück auch stärkere Stücke. Doch wirklich viele Kompositionen, die dem Repertoire von Archive ernsthaft etwas hinzufügen, höre ich leider nicht.

Das Hauptproblem des Albums ist wohl sein Konzept, bzw. dessen inkonsequente Durchsetzung.
Das Kollektiv hat sich auf "The False Foundation" nämlich deutlich verschlankt. So sind auf den meisten Stücken nur vier Instrumentalisten zu hören, und den Gesang teilen sich über die gesamte Spielzeit einzig die beiden männlichen Sänger Pollard Berrier und Dave Pen. Also überhaupt kein Mucks von Holly Martin, Maria Q. und erst recht nicht Rapper Rosko John, der ja schon seit Jahren pausiert, was ich nach wie vor sehr schade finde.

Die Idee dahinter war sicherlich Inspiration durch Reduktion. Das klappt leider nur in Ansätzen.


Archive live 2015
So hatte das Video zu "Driving In Nails" mir Hoffnung auf eine gewisse Affinität zu Kraftwerk gemacht. Zusammen mit der geschrumpften Besetzung hätte man auch den Schatz an Klangvokabeln stutzen müssen, so wie es z.B. Depeche Mode auf "Sounds Of The Universe" getan haben.

Würde sich das gesamte Album z.B. näher an den Elektroklängen von "Driving In Nails", "The Pull Out" oder dem treibenden Titelsong, bei dem man fast glauben könnte, er sei von Karl Bartos mitgeschrieben worden, orientieren, dann wäre es auch sehr viel stimmiger.
Denn wenn man schon betont reduziert auftritt, dann aber doch wieder in alle möglichen verschiedenen Richtungen drängt, wirkt das Konzept einfach nicht kohärent umgesetzt.

Was hingegen verwirklicht wurde - falls es denn Absicht war -, ist die Fragmenthaftigkeit des Ganzen. Irgendwie wirkt hier nichts ganz zu Ende gedacht, abgesehen vom rundum gelungenen Titeltrack hat kein Stück ein wirklich zufriedenstellendes Finale.

Selbst die stärksten Songs kommen nicht ohne aber aus. Das feinsinnige "A Thousand Thoughts" ist  einerseits vielleicht der emotionale Höhepunkt. Anderseits klingt das Ding dabei aber derart von Radiohead abgepaust, dass Thom Yorke in den Credits genannt werden müsste. Ein bisschen emanzipierter hätte man das schon arrangieren dürfen.

"Splinters" ist ein weiteres Highlight und hat durchaus etwas von einem ordentlichen Depeche Mode-Stück, bei dem GahanFletcherGore allerdings den Refrain vergessen haben. Trotzdem kann die Nummer einiges und steigert sich sehr schön. Nur ganz am Schluss fehlt wieder der letzte Kick.

Die restlichen Lieder haben alle die eine oder andere gute Idee, aber von der Stimmung und Dichte von "Restriction", geschweige denn "Axiom" oder gar dem Meisterwerk "Controlling Crowds" sind sie alle weit entfernt.


So bleibt "The False Foundation" nichts Halbes und nichts Ganzes.

Näher am "Ganzen" ist das Album im Vergleich zwischen digital und analog ganz klar in der Vinylversion. Hier kann nämlich der tolle dynamische Mix seine Stärken voll ausspielen und sogar manche Schwäche der Arrangements ausbügeln.
Und man muss natürlich bedenken, dass meine Kritik auf dem Normalniveau von Archive basiert, d.h. in Bezug zur restlichen Außenwelt findet hier immer noch zumindest gute Musik statt.


Doch angesichts dessen, was man sonst von der Gruppe kennt, ist "The False Foundation" leider zu wenig.



Mal sehen. Vielleicht funktioniert das Zeug ja live besser. Dienstag ist Konzert in Hamburg.

Highlights: The False Foundation, A Thousand Thoughts, Splinters



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