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2016-10-05

SUBROSA und SINISTRO live im Hafenklang, Hamburg (03.10.2016)

Subrosa


Was macht man am besten am Tag der Deutschen Einheit?

Der Trend geht ja dahin, im kollektiven Vollversagertum rassistische und antisemitische Parolen zu gröhlen, sowie Fahrräder fürs Volk zu fordern. (Diese technische Innovation ist anscheinend in der tiefbraunsten Ostzone noch nicht angekommen.)
Das klingt nicht nur vom Konzept her unterirdisch widerlich, sondern hört sich auch absolut beschissen an.

Zum Glück für meine Ohren hatte ich schon seit Monaten einen sinnvolleren Plan, nämlich mir die Proglegende King Crimson live in Hamburg anzuschauen. Maximalbesteck mit drei Drummern, große Halle, Sitzkonzert. Entsprechend happiger Eintrittspreis, aber ich habe noch einen ganz ordentlichen Platz bekommen.

Aber dann hat mir der Doomgott dazwischengefunkt.

Diesen hatte ich nämlich bereits im April angerufen, dass er nicht nur die letztes Jahr auf dem Roadburn fantastischen Subrosa auf der Europatour zum kommenden Album bitte nach Hamburg schicken sollte, sondern dass es auch der Knaller wäre, wenn sie zusammen mit meiner größten Neuentdeckung des diesjährigen Roadburn Festivals, Sinistro kämen.

Und genau so ward es! Nur dummerweise eben auch am 3. Oktober.

Ich habe mich ein paar Tage geärgert und mit mir gerungen, dann aber den unfassbaren Entschluss gefasst, mein King Crimson-Ticket zu verkaufen, auch wenn niemand weiß, ob die Chance sie sehen zu können jemals wiederkommt.
Doch was soll man tun, wenn einem der Lord of Doom einen so spezifischen Wunsch erfüllt?

Also saß ich, während ich auf den Beginn des Konzerts wartete, halt nicht auf Platz 22 (Parkett links, Reihe 7), sondern direkt auf dem Bühnenrand im etwas intimeren Hafenklang.


Sinistro


Um neun begannen Sinistro und ich staunte gleich, wie sauber das monsterschwere Eröffnungsriff von "Partida" aus den Boxen quoll. Gute Arbeit vom Soundmann!

Mit "Corpo Presente" und dem Meisterstück "Relíquia" folgten zwei weitere Songs des "Semente"-Albums, sowie die komplette fünfundzwanzigminütige "Cidade"-EP, auf der Sängerin Patricia Andrade noch als Gast der bis dahin instrumentalen Gruppe ausgewiesen wurde.

Heute im selben Outfit aus weißem Hemd und vergessenem Röckchen wie im April in Tilburg unterwegs, war die Frontfrau natürlich auch in Hamburg Dreh- und Angelpunkt des Bühnengeschehens. Ihren expressiven Posen ist ihr Hintergrund als Theaterschauspielerin anzusehen. Etwas schmunzeln musste ich ja über ihre für die langsame Musik ungewöhnliche, schnelle Sprechpassage in "Cidade (Parte II)". Da erzählt sie ihre Geschichte so wortreich und eindringlich - aber wer im Saal versteht schon portugiesisch?

Gesanglich war es natürlich auch wieder von einem andere Stern, bezaubernd, betörend, bedrohlich. Und die Qualität der mit Einflüssen von Ambient bis Sludge angreicherten Doom-Stücke ist ohnehin erstklassig. Insgesamt ein tadelloser Auftritt!

Das einzige was mir im Vergleich zum April etwas fehlte, waren die Videos, aber für dergleichen ist bei der niedrigen Deckenhöhe im Hafenklang ja ohnehin kein Platz.

Subrosa

Der Kreis von Doombands, die in der Lage sind, die bei Sinistro zuvor erlebte Kombination aus Melancholie und Wumms noch zu steigern, dürfte einigermaßen übersichtlich sein. Subrosa allerdings gehören zu diesem Zirkel.

Über dem mächtigen Powerdrumming von Andy Patterson ließen es Sängerin / Gitarristin Rebecca Vernon und Bassist Levi Hanna schon mächtig krachen, doch erst die sehnsuchtsvoll klagenden bis orkanartig stürmenden Geigen von Sarah Pendleton und der äußerst intensiv performenden Kim Pack machen den Sound von Subrosa zu dem packenden, dynamischen Inferno, der er ist.

Und natürlich ist auch der Gesang ein wichtiges Markenzeichen. Die aggressive Leadstimme Vernons, die Harmonien der Violinistinnen und das ab und zu den Raum erschreckende Gebrüll des Bassisten, ergaben wieder ein überzeugendes eigenständiges Gesamtbild.

Überraschenderweise begann die Band nicht mit einem Stück des neuen Albums "For This We Fought The Battle Of Ages", sondern mit dem Zwölfminüter "Fat Of The Ram" vom Vorgängeralbum.
Erst danach folgte das halbstündige Doppelpack aus "Despair Is A Siren" und "Wound Of The Warden".

Eigentlich wollte ich schreiben "das fast halbstündige Doppelpack", aber leider hatte Hamburg das Los gezogen, Schauplatz des ersten technischen Problems dieser Tour zu werden, so dass sie ein Stück kurzzeitig abbrechen und neustarten mussten. Leider half der durchgeführte Kabeltausch aber nicht, die besonders in ruhigen Passagen nervenden Störgeräusche aus dem Gitarrenverstärker loszuwerden. Ich gehe mal davon aus, dass es auch diesem Umstand geschuldet ist, dass die Band nicht mit meinem aktuellen Lieblingslied, dem Teils auch eher leisen "Troubled Cells" das Set beendete, sondern dem als Publikumswunsch geäußeren, fast gleich langen "Cosey Mo" den Vorzug gab.

So gab es statt einem Verhältnis von 50:50 zwischen den beiden letzten Alben insgesamt einen Überhang des älteren "More Constant Than The Gods"-Materials. Denn als Zugabe kam erwartungsgemäß der Jetzt-schon-Klassiker "The Usher", der in seinem großformatigen Finale noch einmal alles vorher gehörte niedergewalzte.


Und auch wenn ich persönlich noch gut eine handvoll mehr über zehnminütiger Epen vertragen hätte und auf meinen absoluten Favoriten verzichten musste: Letztendlich konnten Subrosa auch mit Handicap nicht verstecken, dass sie momentan zu den spannendsten Doomern des Planeten gehören.


War es also die richtige Entscheidung, mein Crimson-Ticket zu vertickern?

Ich sag mal so: Ärgerlich finde ich den Termincrash nach wie vor.
Aber ich bereue nichts! 


Sinistro:














Subrosa:













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