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2016-08-22

KAYO DOT - Plastic House On Base Of Sky

Dienstag (also morgen) ist ja schon Konzert auf der MS Stubitz, also schalte ich mal den Rezensions-Turbo ein, um vorher noch ein paar Worte zum neuen Album von Kayo Dot loszuwerden.



KAYO DOT - Plastic House On Base Of Sky (LP) (2016)

Zum Schaffen des advantgardistischen new yorker Multiinstrumentalisten und Kayo Dot-Masterminds Toby Driver etwas zu schreiben, ist dummerweise eine eher undankbare Aufgabe für einen aus der Hüfte gefeuerten Schnellschuss. Zu wenig mit irgend etwas anderem vergleichbar ist seine Musik, und das, obwohl doch jede Veröffentlichung sich klar von der vorigen unterscheidet. Da stößt man bald auf das Magma-Dilemma, alles was man davon in Worte fassen kann, bereits in früheren Texten formuliert zu haben.
Zum Glück kamen Kayo Dot und Driver in diesem Blog bisher nur live vor, und dies hier ist meine erste Albumkritik. Ein paar Sätze sollten mir also noch einfallen.

Grundsätzlich greift "Plastic House On Base Of Sky" durchaus einige Tendenzen des Vorgängers "Coffins On Io" auf und spinnt diese noch konsequenter fort. Darauf, dass es einen gewissen Bezug gibt, könnte schon der Titel deuten: Ist Io doch ein Mond Jupiters und Phobos (wozu sich der aktuelle Albumtitel abkürzen lässt) ein langfristig auf seinen eigenen Absturz hin kreisender Mond des Mars.

(Vergleiche auch die beiden diese Angstmetapher nutzenden Alben "Phobos" von Voivod oder "The Monolith Of Phobos" von The Claypool Lennon Delirium! Wegen dieser Titelverwanschaft habe ich letztes Album nebenbei auch als kleinen Insider-Gag für mich selbst gemeinsam mit Kayo Dot bestellt. Leider verspätete sich das "Plastic House" aber auf Vinyl etwas, so dass die beiden nicht zusammen angekommen sind.)

Erneut hat Toby Driver - mit Unterstützung von Drummer Keith Abrams und einem ganzen Heer von weiteren Musikern an Streichern, Bläsern, Percussion, Saiten- und Tasteninstrumenten - ein Album geschaffen, welches sämtliches Gebrüll ausspart und irgendeinen Metal-Einfluss nur mit einem Höchstmaß an Fantasie an ganz wenigen Punkten einbildbar lässt.

Nein, die Klangästhetik deutet erneut in die achtziger Jahre, wofür vor allem die nach Zombi riechenden Keyboardsounds und der Gesang verantwortlich sind. Stimmlich verzichtet Driver auf lange Falsettpassagen und tendiert eher zur Berlin-Phase David Bowies, Brendan Perry (Dead Can Dance) oder teilweise auch zu Dave Gahan (Depeche Mode).

Das Charisma jener Referenzen - oder auch des ähnlichen Vorbildern huldigenden Martin Byrialsen von Liserstille - erreicht er dabei zwar nicht ganz, doch es ist eine sehr solide Darbietung, die sich harmonisch in die extrem anspruchsvolle Musik einbettet und den Zugang zu dieser dabei sogar etwas erleichtert.
Doch ich mache mir nichts vor: Jener Zugang dürfte den allermeisten Musikhörern wohl ewig verschlossen bleiben und kann selbst dann noch eine Herausforderung sein, wenn man mit der Abgefahrenheit von Gruppen wie den norwegischen Hirnverknotern Virus keine Probleme hat.


Kayo Dot auf dem Roadburn Festival 2015
Toby Driver mäandert gerne scheinbar ziellos und endlos umher, was Alben wie "Blue Lambency Downward" oder auch "Coffins" (das mich im Vergleich zu den Livedarbietungen in Tilburg und Hamburg vor allem durch den zu dumpfen Vinylklang tatsächlich ein bisschen enttäuschte) zu Herausforderungen macht, denen ich mich nicht immer mit gleichem Erfolg stellen kann.

Deswegen hat mich auch erstaunt, wie leicht es mir nun fällt, in "Plastic House On Base Of Sky" einzutauchen, obwohl dieses Album bis auf den reduzierten Abschluss "Brittle Urchin" durchgehend so klingt, als würden jeweils zwei verschiedene Instrumentals gleichzeitig abgespielt. Es ist so, als lägen zwei halbtransparente Partituren schräg übereinander; jedem Melodieansatz scheint ein Konterpunkt gegenüberzustehen, in jeden Rhythmus spreizt eine zweite Rhythmussektion hinein. Doch so breakbeatig verstolpert dies auch zunächst erscheinen mag - gerade die starke rhythmische Komponente, welche Driver mit seinem wellenförmigen Musikverständnis in der Vergangenheit auch mal vernachlässigt hat, gibt einem Halt in diesem vielschichtigen Gewabere aus Synthwave, Gothic, Klassik und was immer sonst in dieser Suppe vermengt ist.

Und so schaffen Kayo Dot hier das scheinbar Unmögliche, nämlich ein Album, welches beides ist:

Zum einen in seiner Konzeption vollkommen verkopft, aufgebaut wie eine vierdimensionale Zwiebel in detailüberladenen Schichten, die zu entschlüsseln einem vollkommen das Gehirn verknoten kann.

Zum anderen ein ganz entspannt betrachtbares Stimmungsbild, in welchem man sich schwerelos verlieren kann, und das nebenbei auch einen ganz exzellenten Soundtrack für die Nachtfahrt auf der Autobahn abgibt.


Moment... Vielleicht mache ich gerade den Fehler, den man bei Toby Drivers Musik idealerweise immer vermeiden sollte: Ich denke viel zu viel darüber nach.



Denn vielleicht...

ist "Plastic House On Base Of Sky" im Grunde...

einfach nur sehr guter Jazz.




Highlights: Rings Of Earth, All The Pain In The Wide World




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