Sometimes German, sometimes English. • The title of this blog used to change from time to time. • Interested in me reviewing your music? Please read this! • I'm also a writer for VeilOfSound.com. • Please like and follow Audiovisual Ohlsen Overkill on Facebook!

2017-08-04

PROPHECY FEST 2017 • TAG 2: Samstag, 29. Juli (mit DOOL, HEXVESSEL, HYPNOPAZŪZU u.a.)

Dool

Schlaf wird überbewertet. Am zweiten Tag des Prophecy Fests war ich schon um sieben Uhr wieder aus den Federn gekrochen, genoss ein umfangreiches Frühstück und machte mich danach direkt auf einen kleinen Spaziergang.

Da das Konzertprogramm schon kurz vor Mittag wieder losging (ok, losgehen sollte), war mein Zeitfenster für touristisch-fotografische Aktivitäten an diesem Wochenende eher begrenzt. Zum Glück lagen Sorpesee, Staudamm und Ausgleichsbecken ja direkt zu Füßen meiner Unterkunft, so dass ich zumindest einen Anfang ds Jahrtausends abgelaufenen Einwegkamerafilm locker vollknipsen konnte. Die Luftkurortsluft war tatsächlich sehr angenehm, der Wiederaufstieg auf Dammhöhe dafür ziemlich schweißtreibend.

Als Tourist ist dieses steile Auf und Ab ja als Erlebnis mal ganz lustig, aber jeden Tag... nee, Forbewegung ist in Schleswig-Holstein schon lässiger.


Ausgleichsweiher am Sorpesee

Sorpesee

Sorpesee

Finde das Eichhörnchen!

Zu spät.


Kurz vor Einlass wieder an der Balver Höhle aufzuschlagen, wäre nicht wirklich nötig gewesen, zumal auch dieser Tag wieder mit reichlich Verspätung begann. Dafür bekam ich locker einen Platz in der ersten Reihe, die sich während des ersten Acts noch relativ nah an der Bühne befand. Danach wurde der Graben dann auf indoor ziemlich ungewohnte Größe verbreitert. Nicht weiter schlimm, aber irgendwie schon ein bisschen random.


Lotus Thief

Mit Lotus Thief begann der Tag einigermaßen spektakulär. Im Umfeld des Dulcimer-statt-Gitarre-Black-Metal-Projekts Botanist entstanden ließ sich das Quintett unmöglich auf einen Stil festnageln. Zwei Frontfrauen, die vorwiegend Harmonien singen (und vereinzelt auch mal schwarzmetallisch krächzen) sowie die Kenntnis um das Cover ihres aktuellen Albums, welches deren "No Help For The Mighty Ones" stark ähnelt, legt dem SubRosa-Fan den Vergleich zu den Violinendoomern nahe. Musikalisch ist das alles aber näher an Black Metal und melodisch progressiven Death Metal der Marke Opeth. Klanglich war es manchmal schon fast etwas überladen, aber diese Musik will und braucht das auch so. Ein sehr starker Auftakt!



The Moon And The Nightspirit

Mit The Moon And The Nightspirit wurde es anschließend noch etwas mystischer - und eine ganze Ecke entspannter.
Das ungarische Neofolk-Duo aus Geigerin und einem Akustikgitarristen erweiterte sich live um Bass, Djembe und andere Handtrommeln und als speziellen Gast einen Kavalflötenspieler.

Musikalisch war eine Ähnlichkeit mit den europäisch-mittelalterlichen und arabisch inspirierten Sachen von Dead Can Dance nicht zu überhören. Insbesondere galt dies für die Sängerin.

Ein paar stilistische Ausreißer vom regulären Bandsound wären vielleicht noch wünschenswert gewesen, da es doch ein paar Stücke gab, die mir insgesamt zu gleichförmig wirkten. Doch insbesondere die Performance an den Percussions und am rhythmischen, z.T. erstaunlich heavy agierenden Bass glichen diesen Eindruck mit ihrem Groove wieder aus.
Insgesamt sehr überzeugend gehörte die Show von The Moon And The Nightspirit auf jeden Fall zu jenen, für die die Balver Höhle am ehesten gemacht war. Und mit Sicherheit besser als das, was gerade wieder wenige Kilometer von hier auf der Wackinger Stage als Folk und mittelalterlich verkauft wird...


Spiritual Front

Mit Spiritual Front folgte ein italienisches Trio. Wobei dieses Internet behauptet, dass die Gruppe vier oder fünf Mitglieder haben soll. Tatsächlich hatte ich auch den Eindruck, dass die Band nicht vollständig kommen konnte, da doch auffallend viele Elemente aus der Konserve kamen, womit der Frontmann auch sehr offensiv humorvoll umging, als er einen Song neu startete, weil das Publikum noch nicht richtig auf den Takt des Backing Tracks geklatscht hatte.

Unterm Strich war der Auftritt aber immer noch als Liveshow zu werten, und zwar als eine extrem coole. Während auf der Leinwand einfach ein schwarzweißer Sechziger-Jahre-Schinken namens "Mamma Roma" durchlief (Leider brach dieser am Ende natürlich mittendrin ab. Was passiert denn nun mit dem jungen Protagonisten, nachdem er verprügelt wurde?),  servierte die Band an Schlagzeug, A- und wabernder E-Gitarre dazu einen lässigen Cocktail aus Postpunk mit sarkastischer Gothic- und Americana-Attitüde. Schmalztollige Cabaretpunks surfen im schwarzen Country-Cadillac durch Las Vegas sozusagen.
"Armageddon Gigolo" heißt das Album aus dem Jahr 2006 , welches hier gespielt wurde. Freunden von King Dude und Chris Isaak gefällt das. 



Noêta

Nach diesem hervorragend zusammengestellten Triple wäre es natürlich fantastisch gewesen, wenn es auf diesem Niveau weitergegangen wäre. Und wären ihnen nicht technische Probleme hineingegrätscht, dann hätten sich Noêta dieser Aufgabe auch stellen können.

Der düstere, an Chelsea Wolfe im minimalistischstem Modus erinnernde Ambient Folk des schwedischen Duos war nämlich an sich höchst balvekompatibel. Allerdings baut die Musik entscheidend auf Loop-Effekten auf, und es war schon während des Soundchecks zu merken, dass Band und Bühnencrew es einfach nicht schafften, diese für den Gitarristen vernünftig hörbar zu machen.

Und so hatte der gute Mann hör- und sichtbar große Probleme, im Timing zu bleiben. Der zauberhafte Gesang und die generelle Stimmung der Lieder mag zwar wichtiger als Präzision sein, doch auf Dauer, wurde es dann doch anstrengend, den Bemühungen von Noêta zu folgen.
Der Veranstalter hatte ein Einsehen und erlöste die Musiker, indem die vorgesehe Spielzeit verkürzt wurde. Das wohlwollende Publikum zeigte sich auf seine Art gnädig und verlangte nach einer Zugabe.

Schade, da konnte sehr viel Potential leider nicht ausgespielt werden.


Es war nun später Nachmittag und ich machte einen kleinen Spaziergang in den Ort Balve hinein, bei dem ich auch etwas Essen fasste, da ich keine Lust hatte, noch mehr ringförmigen Bargeldersatz vor dem Höhleneingang zu erwerben und auszugeben.


Vorschau auf das nächste Kulturhighlight in der Höhle

Balver Wildleben



Dornenreich nervt.











Ok, das war mein ursprünglich für Dornenreich geplanter Text, da bisher jeder Versuch, in diese Band reinzuhören in vorzeitigem Trackabbruch und dieser Erkenntnis mündete.

Durch den auch nach dem Cut bei Noêta immer noch gnadenlos verschleppten Zeitplan befand ich mich dann aber doch im Inneren der Höhle, als Dornenreich in kleiner Unplugged-Besetzung (nur mit Gitarre und Geige) spielten. Und ich muss mich korrigieren: Solange der... ähem... Sänger seine Klappe hielt, war das wirklich schön anzuhören.
Sobald dann allerdings Gruftipoesiealbumslyrik ins Mikro geräuspert wurde, musste ich reflexartig weghören, um mich nicht mit dem Cringe anzustecken.



The Vision Bleak


The Vision Bleak standen zusammen mit den Shadow Philharmonics auf der Bühne, und in diesem Fall war mir mehr doch ein bisschen zu viel. Die Musik ist ja okay, aber sind die Songs wirklich so stark, dass sie das Gepimpe mit Streichern, zusätzlichen Sängern und ganz besonders dem extra Paukenspieler rechtfertigen? Ich weiß nicht. Vielleicht war mein Problem auch wieder einmal, dass mich der theatralische Gothic-Anteil der Musik nicht besonders berührte. Und gerade dieser wurde ja noch aufgeblasen.
Oder ich war einfach zu müde dafür. Denn ich muss ehrlich zugeben, dass ich die größte Zeit des Sets über hinten an einem der Tische saß und vor mich hingedöst habe. Von daher ist meine Erinnerung hier auch ziemlich bruchstückhaft.

Für den nächsten Programmpunkt war ich zum Glück wieder wach.



Hexvessel
Hexvessel


Die finnischen Retro-Psychedelic/Folk-Rocker Hexvessel gefielen mir heute noch besser als bei ihrem letztjährigen Tour-Gastspiel in Hamburg. Das mag u.a. daran liegen, dass ich inzwischen mit den Songs des letzten Albums vertrauter bin, welche ihr langfristiges Hitpotential bewiesen haben. Und ich habe mich jetzt auch voll an den Gesang gewöhnt.

Die Show übertraf meine Erwartungen und war abgesehen von einem kleinen Akustik-Teil zum Runterkommen die fröhlichste Stunde an diesem ja überwiegend schwarzschweren Wochenende. Wie schon Sólstafir am Vortag überzeugten Hexvessel als eine der wenigen nicht von Prophecy gesignten Bands auf ganzer Linie.


Aber was gibt es besseres, als die Gewissheit nach einer tollen Liveshow, dass es gleich noch geiler weitergehen wird? Denn nun folgte das musikalische Hauptargument für mich, hierher gekommen zu sein, die definitive Band der Stunde, welche live derzeit so ziemlich alles in die Tasche steckt:



Dool
Dool

Dool sind mit ihren drei Gitarren ja eh schon keine personalarme Band, doch heute hatten sie außerdem noch zwei Backgroundsängerinnen, einen Organisten und für eine paar Stücke eine Geigerin dabei. Da allerdings ganze fünf Gastmusiker angekündigt gewesen waren, vermute ich mal, dass die auf dem Debütalbum auf zwei Liedern vertretene, große Farida Lemouchi (The Devil's Blood) wohl verhindert gewesen sein muss. Das war schade, aber angesichts dessen, was die neun Musiker hier auch so schon fantastisches boten, nicht wirklich schlimm.

Hatte ich bei The Vision Bleak noch zu viele Extramusiker auf der Bühne bemängelt, so passte es bei Dool perfekt. Ich hatte nie das Gefühl, dass etwas künstlich überfrachtet oder weichgespült wurde, weil hier in erster Linie nur albumgetreuer wiedergegeben wurde, auf was man sonst live verzichtet.

Hatte ich die Band bisher bei ihren Festivalshows auf dem Roadburn 2016 und dem diesjährigen Hell Over Hammaburg als erste Band des Tages gesehen - beide Male waren viele Besucher danach der Meinung, dass man jetzt eigentlich nach Hause gehen könne -, so hat es mich sehr gefreut, die Holländer hier an der Headlinerposition im Billing zu finden, auf die sie gehören.  

Auch auf der stärker bevölkerten Bühne beherrschte Ryanne van Dorst im Zentrum mit schweißtreibendem Auftritt und unverwechselbarer Powerstimme das Geschehen.

Diesmal wurden alle bisher bekannten Songs der Dark Rock-Band gespielt. Highlights aufzuzählen ist angesichts der Klasse jedes Stückes eigentlich überflüssig, dennoch muss ich als größte Gänsehautmomente das Höllengeigensolo im Jetzt-schon-Klassiker "Oweynagat" und die sensible Ballade "The Death Of Love" herausstellen. Nach dieser stellten Dool außerdem ein brandneues Lied vor, was nicht nur zuversichtlich machte, dass sie auf ihrem nächsten Album wohl kaum nachlassen werden, sondern auch allen, die sie hier zum ersten Mal live sahen, zeigte, dass die normale Besetzung der Band ohne Gastmusiker keinen Deut weniger mitreißt.

Fazit der Show: uneingeschränkt perfekt!




Es war nun schon nach Mitternacht und ich hatte ursprünglich in Erwägung gezogen, nach Dool ins Hotel zurückzukehren. Ich wäre mit der Entscheidung auch nicht einsam gewesen, denn es war schon ein recht großer Strom, der sich nun auf den Weg nach draußen machte und in der Masse nicht mehr zurückkommen sollte.

Die nun folgenden Hypnopazūzu gehörten außerdem schon beim Roadburn zu den wenigen Gruppen, an denen ich nicht interessiert gewesen war. Doch Dornenreich hatten mich am Nachmittag daran erinnert, dass man eine durch hastige YouTube-Recherche gebildete Meinung durchaus hinterfragen konnte. Und was hatte ich denn tatsächlich jetzt besseres zu tun?


Hypnopazūzu


Es war eine hervorragende Entscheidung, noch zu bleiben. Die Band um David Tibet und Killing Joke-Bassist Youth war zunächst einmal eine seltsame Erscheinung, wofür gerade auch die beiden selbst verantwortlich waren: Tibet im barfüßigen Schnappsdrossellook und Youth, der mit dem Selbstverständnis des alten Sacks, dem alles egal ist, das gewagteste Dekoletee seit... naja, der Bassistin von Lotus Thief präsentierte.

Mehrere Songs lang begann das Set mit einer majestätischen Mischung aus Drone und Ambient, über der die durchaus etwas schräge, rezitative Stimme Tibets beschwörerisch thronte.
Sehr groß und weit und entrückend klang das. Es kamen später auch noch mehr rhythmische und folkloristische Elemente hinzu. Von diesen Stücken hatten in der Vergangenheit nicht alle die Konvertierung in Smartphonevideos zu ihrem Vorteil überstanden und waren zum Grund für meine Skepsis geworden. Doch livehaftig funktierten auch diese Kompositionen wunderbar.

Nachdem das wohlig und hypnotisch von Felswand zu Felswand dröhnende Set ausgeklungen war, dürften sicherlich einige der Anwesenden Hypnopazūzu zu ihrem persönlichen Festivalsieger gekürt haben. Und auch bei mir spielen sie trotz vieler starker Shows weit oben mit.





Das war also das Prophecy Fest 2017. Auch mit den nervigen Verzögerungen und den Soundmängeln während einiger Künstler am Freitag war es insgesamt ein wunderbares Festival, welches neben dem ungewöhnlichen Ambiente vor allem mit seinem stilistisch heterogenen und doch stimmigen, künstlerischen Programm glänzte.

Da das Fest wiederholt wohl noch weit vom Ausverkauf entfernt war, wird es nach drei Jahren in der Balver Höhle hintereinander nächstes Jahr aussetzen, ehe die Veranstalter schauen, wie es weitergeht. (Ich persönlich könnte mir schon vorstellen, dass es irgendwann etwas klaustrophobisch würde, wäre die Bude komplett gefüllt.)

Da es sich ja in erster Linie um das Labelfestival von Prophecy handelt, die ja nicht über einen unerschöpflichen Künstlerpool verfügen, hat es mich ohnehin gewundert, dass es so schnell hintereinder stattgefunden hat. Es steht ja auch nirgends geschrieben, dass jedes Musikfestival mindestens jährlich stattfinden muss. Fußball-WM ist schließlich auch nur alle vier Jahre.

Um das grundsätzliche Konzept sollte man sich aber keine allzu großen Gedanken machen. Die kreative Idee ist schon richtig so und spricht auch genügend Fans an. Es ist von der Ausrichtung her natürlich eine Veranstaltung, die sich an ein großenteils überregional anreisendes Special-Interest-Publikum anzieht. Und das Angebot an Festivals ist, auch wenn nicht jedes davon so stimmig kuratiert wird, den ganzen Sommer über nun einmal gewaltig. Ein Nachteil, den man vielen Konkurrenzveranstaltungen gegenüber natürlich schlecht wegbekommt, ist dass die Location nur eine Bühne erlaubt, und dass vermutlich die Miete der Höhle auch für den vergleichsweise ziemlich happigen Eintrittspreis verantwortlich ist... Letztendlich hilft wohl nur: sich rarer machen! Weitermachen! Vielleicht den Termin anders legen.

Es wäre auf jeden Fall sehr schade, wenn es das mit dem Prophecy Fest in der Balver Höhle gewesen sein sollte.



Guten Morgen! (Blick aus meinem Fenster.)


Den nächsten Morgen ließ nach zwei langen Frühaufstehertagen dann mal sehr langsam angehen und frühstückte erst knapp vor Ende des Zeitfensters.

Da mich mein Navi ständig zur Stauvermeidung von der Autobahn herunter lotste, habe ich soviel von Deutschland gesehen wie selten auf vergleichbaren Fahrten. Kacke, dass ich nicht die Ruhe weg hatte, zwischendurch noch ein paar Mal den Touristen zu spielen. Gerade einige Aussichten im Sauerland wären schon extrem fotogen gewesen. Aber man weiß ja nie, was noch kommt. Selbst von Hamburg durfte ich nachher noch Ecken sehen, durch die ich noch niemals mit dem Auto gefahren bin, haha.

Doch die Stauumgehung plus selten ganz freie Fahrt lohnte sich immerhin finanziell. Ich habe auf der Rückfahrt nur zwei Drittel des Sprits vom Hinweg verbraucht. #wasjederunbedingtwissenwollte




Lotus Thief:














The Moon And The Nightspirit:














Spiritual Front:















Noêta:








The Vision Bleak:






Hexvessel:






















Dool:


























Hypnopazūzu:

















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen